Und doch spricht alles hier in Utzbach von der ersten Sekunde an gegen ihn: Der Bühnenboden ist laut Bruscon zu morsch, die Luft zu schwül, der Gastwirt zu faul, das Landpublikum zu blöd, die Kinder zu unfähig und die Ehefrau zu hypochondrisch. Die größte Katastrophe wäre es aber, wenn die Utzbacher Feuerwehr darauf bestünde, das Notlicht im Saal auch am Ende des Stücks brennen zu lassen – denn dann wäre seine Inszenierung endgültig vernichtet!
DER THEATERMACHER von Thomas Bernhard, längst ein moderner Klassiker, ist genau genommen ein wunderbares Paradoxon: ein endloser Hassmonolog auf das Theater von einem, der nur für und von Theater lebt. Im tiefsten Innern ist es eine große Liebeserklärung an die Bühne, an all diese lächerlich verzweifelten Theatermenschen – und an ihren unbeirrbaren Glauben an die Notwendigkeit der Kunst. Denn egal wie aussichtslos die Lage ist: Der Vorhang muss hoch, DAS RAD DER GESCHICHTE sich weiterdrehen. Wäre gute Kunst ohne echten Größenwahn überhaupt denkbar? Bruscon ist ein Paradebeispiel des Bernhardschen Figurenkabinetts: am Rande des Wahnsinns, unwiderstehlich missgelaunt und rechthaberisch und dabei ungebremst in der Sinnlichkeit seiner Sprache.
35 Jahre nach der Uraufführung bei den Salzburger Festspielen haben sich die Echoräume des Stücktexts spürbar verschärft: Die letztgültigen Meinungen des Kunsttyrannen Bruscon platzen mitten hinein in gegenwärtige und notwendige Debatten um Kunstfreiheit und Machtmissbrauch. Gleichzeitig erleben wir im Netz immer wieder jene Rants und rückkoppelnden Empörungsschleifen, die Bruscon so sehr auszeichnen. Online kann mittlerweile jede*r zum ganz eigenen Bruscon im ganz eigenen Utzbach werden – Empörung für alle, bis auf Facebook die Weltkugel glüht!
Kay Voges’ Neuinszenierung des THEATERMACHERS (u.a. Longlist zum Berliner Theatertreffen 2019, Einladung NRW Theatertreffen 2019) lädt ein zum großen Showdown: Wird all die Entrüstung in Utzbach, auf der Straße und im Netz zum unkontrollierbaren Sprengsatz – oder verpufft sie im Nichts? Ist es vielleicht mit Bruscons grenzenloser Hybris möglich, die unfreiwillige Komik der pausenlosen Empörungs-Loops zu bemerken?
Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass in der Vorstellung STROBOSKOP-EFFEKTE eingesetzt werden.
„Eine Dekonstruktion des Bernhard-Klassikers, die viel will und überraschend viel einlöst: Die Palette reicht vom lustvollen Spiel mit toxischer Männlichkeit über die Selbstbefragung des Diskurstheaters bis hin zur albtraumhaften Übernahme des (Theater-)Ruders durch das weibliche Geschlecht.“ (Sonja Harter, APA)
„Ein grelles Panoptikum, das überspitzt in den furiosen Zusammenbruch steuert. (…) Ein Abend, der aufs Ganze geht! (Kronen Zeitung)
„Trotz der wilden Schauwerte steht der Text hier immer im Mittelpunkt. ‘Halbherzigkeit ist der Tod des Theaters‘, diese Klage Bruscons, sie ist hier jedenfalls unzutreffend. (…) Die Wiederholung, die immer wieder Neues bringt, ist eine nachgerade naturgemäße Versinnbildlichung für einen Text von Thomas Bernhard. Voges gelingt es aber, dass Pointen fast nie wiederholt werden, der Einfallsreichtum ist beachtlich.“ (Christina Böck, Wiener Zeitung)
„Als der Vorhang fällt, wird darauf ,DAS ENDE DES THEATERS‘ verkündet. Eh klar: Erst wird kaputtgemacht, dann wieder aufgebaut. Jedenfalls verspricht ein solcher Auftakt tüchtig Pfeffer in Wiens nächster Theatersaison.“ (Ute Baumhackl, Kleine Zeitung)
„Zum Gelingen des Abends, dessen Einzelteile immer kürzer werden, trägt vor allem das belastungsfähige Ensemble bei: Allen voran stellt sich Andreas Beck dem Wiener Publikum als Staatsschauspieler Bruscon in all seiner Wandlungsfähigkeit vor, während er vom alten weißen Mann zum verschreckten Häufchen Elend mutiert. (…) Die Salzburgerin Anna Rieser erweist sich in ihrer Entwicklung von der unterdrückten Tochter zur feministischen Punk-Ikone (mit dem Slogan "Fickt eure Väter" am Rücken) als eine bemerkenswerte neue Stimme am Volkstheater.“ (Sonja Harter, APA)
„Die Bernhardschen Schimpftiraden glänzen bei Beck frisch und neu und man ist sofort in den Bann gezogen. Kongenial an seiner Seite Uwe Rohbeck als wieselflinker Wirt des Gasthauses in Utzbach (…).“ (Gabi Hift, nachtkritik.de)
„Andreas Beck ist ein Bär von einem Impresario – und Uwe Rohbeck als Wirt ein Zniachtl mit höchst unterhaltsamen Mienenspiel“. (Thomas Trenkler, Kurier)
40 Min.
bis EUR 56,–