Dabei war Taiwan nicht nur Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, sondern über 25 Jahre lang auch Vollmitglied im Sicherheitsrat, bis US-Präsident Nixon 1971 die Beziehungen zwischen den USA und China „harmonisierte“ und Taiwan die UNO verlassen musste. Seitdem kämpft das Land um diplomatische Anerkennung. Nur in einem Dutzend Ländern rund um den Erdball haben seine diplomatischen Vertretungen den Status einer Botschaft. Kaum jemand kann sich einen Bruch mit China leisten – ein globales Dilemma, das sich an Taiwan geradezu modellhaft abbilden lässt.
Während der „Sonnenblumen-Bewegung“ 2014 wurde das Parlamentsgebäude in Taipeh von etwa 400 Demonstrant*innen 24 Tage lang besetzt. Eine ganze Generation von Taiwaner*innen wurde politisiert. Neue Formen von partizipativer Demokratie und digitaler Transparenz wurden erarbeitet. Heute ist Taiwan vielleicht eine der fortschrittlichsten Demokratien Asiens. Parallel dazu entwickelte Taiwan eine neue Form von Außenpolitik, die es dem Land auch unter dem Radar der offiziellen Diplomatie erlaubt, sich durch NGOs und wirtschaftliche Beziehungen mit anderen Ländern zu vernetzen.
Im Theater sind wir es gewohnt, so zu tun, als ob. So fragt DIES IST KEINE BOTSCHAFT: Wie könnte eine Vertretung Taiwans auf der Bühne und in Wien funktionieren? Wer darf diese Insel zwischen China, Japan und dem eigenen Erbe vertreten? Welche Fahne, welche Hymne und welches Ritual passt in unsere Zeit? Und was helfen Staatenbündnisse gegenüber den Ansprüchen einer Großmacht wie China?
Gemeinsam mit taiwanesischen Künstler*innen hat der Regisseur Stefan Kaegi (BLACK BOX) im Herbst 2022 im Rahmen einer siebenwöchigen Recherche-Residenz im Nationaltheater Taipeh Diplomatinnen, Geologen, Techniker aus der Halbleiterindustrie, Politikerinnen und Geschäftsleute befragt. Drei davon stehen bei DIES IST KEINE BOTSCHAFT auf der Bühne: Ein pensionierter Botschafter, eine digitale Aktivistin und eine Musikerin und Alleinerbin eines Bubble-Tea-Imperiums.
Gemeinsam mit Rimini Protokoll erstellen sie die mobile Stichprobe eines Landes, die sowohl wie eine antike als auch wie eine futuristische Version Chinas aussieht, sowohl ein präkommunistisches als auch ein posttotalitäres Spiegelbild von Taiwans großem Nachbarn.
Eine Produktion von Théâtre Vidy-Lausanne und dem National Theater & Concert Hall Taipei, in Koproduktion mit dem Volkstheater Wien, Rimini Apparat, den Berliner Festspielen, dem Centro Dramático Nacional Madrid, dem Zürcher Theater Spektakel, dem Festival d’Automne à Paris und dem National Theatre Drama / Prague Crossroads Festival.
bis EUR 53,–
bis EUR 53,–